Exponentialität: Der „Club of Rome“ kämpft gegen Windmühlen

Die Berichte des „Club of Rome“ haben in der öffentlichen Diskussion um den Umweltschutz, die Ressourcen des Planeten und um die Lage der Menschheit besonderes Gewicht. Schade, dass sich der 1968 gegründete Thinktank den Chancen verschließt, die sich aus dem exponentiellen Leistungszuwachs der IT ergeben.

Als der „Club of Rome“ 1972 die bahnbrechende Studie „Die Grenzen des Wachstums“ veröffentlichte, schlug auch eine frühe Sternstunde der Datenanalyse. Das Forscherteam brachte verschiedene Faktoren in einen Zusammenhang, schuf daraus ein „Weltmodell“, das sich mit historischen Daten und Annahmen über die Zukunft füttern ließ. „World3“ hieß die Computersimulation, die in der Programmiersprache „Dynamo“ geschrieben worden war. Das Massachusetts Institute of Technology (MIT) verfügte bereits damals über die Großrechner, die notwendig waren, um die Simulationen laufen zu lassen.

Sie zeigten, dass nur nachhaltiger Umweltschutz, konsequente Geburtenkontrolle und begrenztes Wachstum einen Wandel zum Besseren mit sich bringen würden. Zaghaftes Drehen an der einen oder anderen Stellschraube würde das Verhalten des Systems Erde verändern, aber den Kollaps nicht verhindern können. Nüchtern betrachtet, haben die Menschen aber genau das getan: ein wenig an den Stellschrauben gedreht. Einschneidende Beschlüsse wären nötig gewesen, um die Ausbeutung unwiederbringlicher Ressourcen zu verhindern.

Jetzt leben wir in einer Zeit, in der die exponentielle Leistungszunahme der Digitalisierung uns einen kraftvollen Hebel in die Hand gibt, um die Probleme der Welt zu lösen. Angesichts seiner eigenen, eng mit der Digitalisierung verknüpften Historie verwundert es, wie leichtfertig der „Club of Rome“ diese neuen Chancen beiseiteschiebt. So geschehen im neuen Bericht „Wir sind dran – Eine neue Aufklärung für eine volle Welt“, den der „Club of Rome“ zu seinem 50jährigen Bestehen in diesem Jahr veröffentlicht hat. Der Bericht bietet eine ebenso notwendige wie schonungslose Bestandsaufnahme zum Zustand des Planeten. Das Buch ist ein lesenswerter, pointierter Appell an das Verantwortungsgefühl der Menschen. Gerade deshalb frage ich mich, warum eine der größten Hoffnungen für eine bessere Welt rundheraus ablehnt: die exponentielle Leistungsentwicklung der IT.

Gordon Moores berühmtes „Gesetz“ beschreibt, dass sich die Zahl der Transistoren auf einem Chip alle zwei Jahre verdoppelt. Daraus ergibt sich, mathematisch betrachtet, eine exponentielle Funktion. Ihre Besonderheit: Über Jahrzehnte steigt die Leistungskurve nur sanft an, bis sie plötzlich steil nach oben schießt. Diesen Übergang erleben wir jetzt. Dass sich die Künstliche Intelligenz, das Internet der Dinge, die Robotik und der 3D-Druck gleichzeitig in enormen Tempo weiterentwickeln, liegt in dieser laufenden Verdopplung begründet. Und es hört nicht auf: Die Leistung der digitalen Systeme wird weiter steil nach oben streben. Es eröffnet sich ein ganz neuer Chancenraum für unerhörte, verblüffende und mutige Innovationen.

Von Moores Gesetz zum Quantencomputer

Den Autoren des „Club of Rome“ um die Granden Ernst Ulrich von Weizsäcker und Anders Wijkmann scheint dieser Innovationsschub weder geheuer noch wünschenswert zu sein. Doch in ihrer Argumentation gegen die Exponentialität verwechseln sie leider die Technologie mit der „Ideologie“ mancher Silicon-Valley-Gurus. Die Autoren kritisieren ja völlig zu Recht, dass die Protagonisten der Silicon-Valley-Kultur einen Drang zu weltbeherrschenden Monopolen an den Tag legen und zu überbordenden Weltverbesserungsphantasien neigen. Doch die exponentielle Entwicklung der Digitalisierung lässt sich auch ohne diese Unternehmen nutzen. Damit nicht genug: Mit einem Rückgriff auf die Biologie versucht der „Club of Rome“, die Exponentialität in der digitalen Welt ad absurdum zu führen. Sein Argument: Bakterienpopulationen entwickeln sich ebenfalls exponentiell. Sie tendieren dazu, nach dem rapiden Wachstum der sogenannten „Log-Phase“ in eine stationäre und dann – mangels Ressourcen – in eine sogenannte „Todesphase“ übergehen. Warum diese Analogie auf die IT zu übertragen sein soll, bleibt ein Geheimnis: Was soll, in den Kategorien von Technologie und IT gedacht, denn diese  „Todesphase“ auslösen?

Zu allem Überfluss schließen sich die Autoren der Meinung an, dass „Moores Gesetz“ an sein Ende gelange. Skeptiker glauben, dass die physikalischen Möglichkeiten dieser fortlaufenden Verdichtung irgendwann, vielleicht in zehn Jahren, erreicht sein werden. Selbst wenn: Längst ist die Exponentialität auf die Digitalisierung zurückgesprungen und hat die Erfindung von Quantencomputern möglich gemacht. Alle großen IT-Konzerne arbeiten an diesen Rechnern, die um ein Vielfaches schneller sein werden als die heutigen Superrechner. Sie werden in Kürze verfügbar sein. Die Ironie daran: Gerade Quantencomputer würden den „Club of Rome“ in die Lage versetzen, „Weltmodelle“ mit einer Vielzahl von Variablen und Szenarien zu rechnen – präzise und valide.

Kein Zweifel: Die „Weltmaschine“ – so nenne ich die neue globale Infrastruktur auf Basis des Internets der Dinge – wird der Weltgemeinschaft helfen, die Probleme im „Weltmodell“ zu lösen. In diesem Sinne würde ich mir wünschen, wenn der „Club of Rome“ als weltweit geachtete und einflussreiche Organisation die exponentielle Wucht der Digitalisierung als Lösungsansatz unterstützen statt aus offenbar weltanschaulichen Gründen ablehnen würde. Die Exponentialität negieren? Das erinnert doch sehr an die Romanfigur Don Quijote und ihren sinnlosen Kampf gegen die Windmühlen.

Literatur:

Ernst Ulrich von Weizsäcker, Anders Wijkmann et al, Wir sind dran – Was wir ändern müssen, wenn wir bleiben wollen, Gütersloh 2018

13/07/2018|Erde 5.0|